Nach der Verliebtheitsphase, in der man Schmetterlinge im Bauch hat und die sogenannte rosarote Brille trägt, folgt oftmals die Ernüchterung – im schlimmsten Fall kommt es zu einer ausgewachsenen Beziehungskrise.
Der Partner beziehungsweise die Partnerin erscheint uns nicht mehr als vollkommen und wir fragen uns, wie wir die Fehler und Macken des anderen übersehen konnten. Es kommt zu Streitereien, das Alltagsleben als Paar wird auf die Probe gestellt.
Verständlicherweise ist die Verunsicherung groß, wenn es schon am Anfang der Beziehung kriselt. Man fragt sich, wie die Beziehung in Zukunft ohne eine stabile Grundlage Bestand haben soll. Doch genau dies ist der Moment, in dem nicht aufgegeben werden sollte.
Warum wir Beziehungen oft zu früh aufgeben
Hat jemand, der eine bedeutsame Rolle in Ihrem Leben gespielt hat, jemals alles aufgegeben, ohne für die Partnerschaft zu kämpfen?
Diese Frage mag Sie zum Nachdenken anregen, und Beziehungs-Coaches und PaarberaterInnen wie unsere Gastautorin Franziska Müller können bestätigen, dass viele Menschen in unserem Umfeld dazu neigen, Beziehungen zu früh aufzugeben. Oft geschieht dies nicht aufgrund rationaler Überlegungen oder einer tiefen Einsicht, sondern vielmehr aus limitierenden Überzeugungen, die den Raum für echte Reflexion verkleinern.
In der heutigen, dynamischen Welt, geprägt von Social Media und benutzerfreundlichen Online-Dating-Plattformen, wird uns immer wieder die Botschaft vermittelt, dass es vollkommen akzeptabel ist, Verantwortung für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen abzulehnen und die Ehrlichkeit – sowohl uns selbst gegenüber als auch gegenüber anderen – zu vernachlässigen.
Diese Entwicklung führt dazu, dass viele Einzelne den Eindruck gewinnen, das Brechen von Bindungen sei eine harmlose Option, anstatt sich den Herausforderungen einer ernsthaften Partnerschaft zu stellen und Lösungen zu suchen.
Ergo fühlt sich eine wachsende Zahl von Menschen in ihrem Verhalten bestätigt und sieht sich in dem Gefühl bestärkt, ihrer Verantwortung nicht nur zu entkommen, sondern dies auch vermehrt als Normalität zu betrachten.
Kommunikation wird oft nur noch sporadisch geführt oder ganz unterlassen – ein Zustand, der für viele draußen emotional tiefgreifende Konsequenzen hat. Es ist schmerzlich zu erkennen, wie solch ein Mangel an Engagement und die Flucht vor persönlichen Verbindlichkeiten verletzend wirken können. Wenn wir uns den Herausforderungen des Lebens und der Liebe entziehen, berauben wir nicht nur uns selbst um wertvolle Erfahrungen und Einsichten, sondern fügen auch unseren Mitmenschen Schaden zu.
Umso wichtiger wird es, dass wir uns bewusst mit unseren Gefühlen auseinandersetzen und verantwortungsvoll handeln – für unser eigenes Wohlbefinden und das derjenigen, die uns am Herzen liegen.
Nur durch offene Kommunikation und aktives Engagement können wir die Qualität unserer Beziehungen verbessern und möglicherweise sogar die Liebe in ihrer schönsten Form erleben. Lassen Sie uns also gemeinsam darüber nachdenken, wie wir diese Muster durchbrechen können und die ehrliche Verbindung wiederherstellen.
Entscheidende Phase für die Stabilität der Partnerschaft
Die Phase, nachdem das erste Verliebtheitsgefühl abgeklungen ist, entscheidet über die spätere Stabilität der Partnerschaft. Es ist normal, dass es zu Auseinandersetzungen kommt, wenn die Unterschiede zwischen den beiden Beziehungspartnern immer deutlicher zutage treten.
Wichtig ist es nun, ehrlich und offen miteinander zu kommunizieren und konstruktive Kritik auszuüben, ohne die andere Person zu verletzen. Regelmäßige Beziehungsgespräche und gemeinsame Überlegungen von Kompromissen für Konfliktsituationen sind das A und O einer gesunden und stabilen Paarbeziehung.
Zu lernen, den Partner beziehungsweise die Partnerin samt seinem Fehler und Macken anzunehmen und uns der wahren Qualitäten der Beziehung bewusst zu werden, ist das Ziel, welches es anzustreben gilt.
Das Schweben auf Wolke Sieben ist vorbei und es wird sich niemals wieder wie das anfängliche Verliebtsein anfühlen, aber wird die Phase der gemeinsamen Auseinandersetzung mit sich als Paar erfolgreich gemeistert, zeichnet sich die Beziehung durch tiefgehende Liebe und Stabilität aus.
Was macht eine gute Kommunikation aus?
Eine gute Kommunikation ist also bedeutsam für die Stabilität der Beziehung. Doch wie übe ich konstruktive Kritik aus und führe weiterbringende Beziehungsgespräche? Neben der bereits angesprochenen Ehrlichkeit und Offenheit ist es wichtig, Verallgemeinerungen zu vermeiden und Ich-Botschaften zu formulieren.
Beispielsweise ist die Aussage “Nie lässt du mich ausreden!” verallgemeinernd und zudem nicht als Ich-Botschaft formuliert. Besser wäre es, konkret auf die Konfliktsituation einzugehen und dem Partner oder der Partnerin mitzuteilen, welche Gefühle und Gedanken es in einem persönlich auslöst: “Mich verletzt und ärgert es, dass ich nicht meine Meinung zu dem besprochenen Thema äußern kann.”
Ferner sollte darauf geachtet werden, Wünsche nicht als Vorwürfe zu formulieren und sich dessen bewusst zu sein, dass die Erfüllung eines Wunsches keinesfalls Pflicht ist. Ein Beispiel für einen Vorwurf wäre: “Nie bringst du mir Blumen mit!”, den man folgendermaßen als Wunsch ausdrucken könnte: “Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn du mir Blumen mitbringst.”
Zu einer guten Kommunikation gehört nicht nur das respektvolle und empathische Miteinanderreden, sondern auch das aktive Zuhören. Aktiv zuzuhören bedeutet, dass sich das Gesagte mit Unvoreingenommenheit und Anteilnahme angehört wird. Wenn etwas nicht verstanden wird, fragt der Zuhörer nach, wie es gemeint ist und achtet zudem bewusst auf die Mimik und Gestik des Sprechers.
Wie können wir unsere Partnerschaft revitalisieren? Tipps einer Paarberaterin
Seien wir ehrlich: Was ist es, was wir in einer Beziehung tatsächlich anstreben? Tief in unserem Inneren sehnen wir uns danach, dass unser Partner uns mit Handlungen und Worten begegnet, die auf der Grundlage bedingungsloser Liebe basieren:
„Ich unterstütze dich dabei, deine Ziele zu erreichen. Ich motiviere dich, die beste Version deiner selbst zu werden. Und ich liebe dich noch mehr, weil du mir auch deine Schwächen und Fehler offenbart.“
Sie haben die Möglichkeit, aktiv dazu beizutragen, dass Ihre Beziehung so gestaltet wird – insbesondere wenn sie sich eher als herausfordernd denn als einfach anfühlt. In manchen festgefahrenen Situationen genügt es oft, wenn wir aufhören, uns zwanghaft Gedanken zu machen. Hierbei ist es hilfreich, den Fokus wieder auf uns selbst zu lenken.
Hier sind vier Schritte, die Sie unternehmen können, um Ihre Beziehung zu retten und sie wieder auf einen positiven Weg zu bringen:
Tipp 1: Entdecken Sie Ihre Selbstliebe
In zwischenmenschlichen Beziehungen können Ängste wie Verlustangst oder Bindungsangst dazu führen, dass wir uns in Abhängigkeit von unserem Partner begeben. Dies kann dazu führen, dass wir unbewusst den persönlichen Raum des Partners überschreiten und ihn dadurch einschränken.
Es ist wichtig, zwischen Ihrem wahren Selbst und den Verhaltensweisen, die aus Ihren Ängsten entstehen, zu unterscheiden. Mein Tipp lautet daher: Entfalten Sie Ihre Stärke und bleiben Sie authentisch. Gönnen Sie sich Aktivitäten, die Ihnen Freude bereiten. Sie sind nicht darauf angewiesen, dass Ihr Partner all Ihre Bedürfnisse erfüllt. Denn Sie sind ein eigenständiges Individuum mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen.
Indem Sie bewusst Zeit für sich selbst nehmen, steigern Sie Ihre Zufriedenheit und Ihr Selbstwertgefühl. Dies wirkt sich positiv auf die Beziehung aus. Denn erst wenn beide Partner sich selbst lieben, kann auch die Liebe zueinander wieder erblühen.
Tipp 2: Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen
Wenn Ängste uns überkommen, neigen wir dazu, uns zu sehr mit der Vergangenheit zu beschäftigen oder zu intensiv über die Zukunft nachzudenken. Wir versuchen, alles unter Kontrolle zu bringen und glauben, dass wir für jede Situation einen Plan benötigen.
Einen Plan für den heutigen Tag, für den kommenden Tag und – natürlich – auch für unsere Beziehungen. Die Erwartungen steigen durch unseren Drang zur Planung stetig an, bis schließlich – wie Sie sich sicherlich vorstellen können – alles wie ein Kartenhaus zusammenbricht.
Fällt Ihnen etwas auf? In Ihrem Bestreben nach Kontrolle verlieren Sie sich selbst. Die Wahrheit ist: Tatsächlich können Sie nichts kontrollieren! Kontrolle ist eine Illusion. Das Einzige, was Sie wirklich lernen können zu kontrollieren, sind Ihre eigenen Reaktionen.
Und genau hier sollten Sie anknüpfen. Fragen Sie sich:
- Wie reagiere ich in bestimmten Situationen, die mir Angst bereiten? Zum Beispiel, wenn Sie Ihrer Beziehung kein Vertrauen entgegenbringen.
- Versuchen Sie es doch einmal anders herum und fragen Sie sich: Wie stark vertraue ich mir selbst?
- Was kann ich aus diesem Gedanken gewinnen, um meine Reaktionen besser auf mich abzustimmen?
Je mehr Selbstsicherheit Sie entwickeln, desto mehr wird Ihr Vertrauen wachsen.
Tipp 3: Trauen Sie sich, offen zu kommunizieren
Kommunikation stellt das zentrale Werkzeug in einer Beziehung dar. Es ist entscheidend, dass sie aus tiefstem Herzen kommt und aufrichtig ist. Nur wenn wir in der Lage sind, klar zu artikulieren, was wir empfinden und über unsere Wünsche sowie Bedürfnisse zu sprechen, erhält eine andere Person die Möglichkeit, uns wirklich zu verstehen.
Obwohl es gelegentlich unangenehm sein kann, in Momenten der Angst oder Unsicherheit ehrliche und aufrichtige Worte zu finden, befreit es Sie beziehungsweise euch und schafft einen Raum, in dem Sie gemeinsam wachsen können. Nehmen Sie sich aktiv Zeit im hektischen Alltag und etablieren Sie eine vertrauensvolle Atmosphäre.
Ihr Gespräch sollte nicht durch äußere Störungen beeinträchtigt werden. Das bedeutet: Schalten Sie die Handys aus. Versuchen Sie, Ihre wahren Empfindungen in Worte zu fassen, ohne sich selbst dafür zu kritisieren. Hier ist der Raum, um die Ehrlichkeit zuzulassen.
Tipp 4: Aktives Zuhören
Es ist oft wertvoller, Zeit und ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken als jede materielle Geste. Hören Sie Ihrem Partner aufmerksam zu und setzen Sie sich aktiv dafür ein, seine Wünsche wirklich zu erfassen. Dabei sind Wertschätzung und Respekt von zentraler Bedeutung. Hinter jedem Wunsch, jeder Angst und jedem Widerstand verbirgt sich ein tiefes Bedürfnis.
Wenn Ihr Partner diese Empfindungen verbalisiert, eröffnet er Ihnen einen Einblick in seine Persönlichkeit und zeigt auf, wie er in der Beziehung geliebt werden möchte. Durch Ihre Kommunikation erforschen Sie gemeinsam, wer Sie sein möchten. Ermutigen Sie sich gegenseitig! Treffen Sie die Entscheidung, alle Aspekte Ihrer Persönlichkeit auszudrücken, um sich selbst, Ihre Partnerschaft und Ihre Gemeinschaft darüber zu informieren, dass es vollkommen in Ordnung ist, authentisch zu sein: echt, wahrhaftig und kraftvoll.
Dies ist nicht nur akzeptabel, sondern spielt eine wesentliche Rolle für Ihre und Ihre Beziehung!
Unabhängig von Ihren inneren Gedanken ist es entscheidend, respektvoll, zeitnah und aufrichtig zu kommunizieren. Ihr Partner wird von dieser liebevollen Art der Kommunikation profitieren. Letztlich gewinnen beide Seiten – durch Nähe und Verständnis.
Persönliche Paarberatung als Konfliktlösung
Psychologische Beratung und Paarberatung ist ganz gleich zu welchem Zeitpunkt der Beziehung möglich. Meistens wird dieser Schritt erst erwogen, wenn die Probleme sich schon manifestiert haben und die daraus resultierenden Konflikte nur schwer lösbar sind.
Es ist also nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll, bereits in den Anfangsjahren eine Paarberatungsstelle aufzusuchen oder psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Fühlt sich das Paar überfordert, die Konflikte selbst zu lösen respektive braucht Anleitung durch eine dritte Person, ist eine psychologische Paarberatung in jedem Fall eine Überlegung wert.
Gerade durch zusätzliche Belastungen im Außen wie infolge der Corona-Krise erscheint die Bewältigung der Beziehungskrise allein kaum schaffbar.
Tipp: Das Institut für Beratung & Gesundheit unserer Gastautorin und Paarberatungsexpertin Franziska Müller in Kreuzlingen (Schweiz) bietet eine psychologische Paarberatung auch online via Skype an, wenn der Weg zu weit oder die Inanspruchnahme einer Beratung vor Ort aus anderen Gründen nicht möglich ist.