Viele der Werte und Ansichten dir wir vertreten, übernehmen wir relativ unbewusst aus unserer Gesellschaft. Das führt dazu, das viele Individuen aus einer Gesellschaft ähnliche Perspektiven und Verhaltensweisen aufweisen – was die zwischenmenschliche Beziehung oft erleichtert.
Das Problem ist, dass nicht alle gesellschaftlichen Werte und Ansichten, die wir übernehmen, mit unserem Charakter und individuellen Vorstellung übereinstimmen. Dadurch kommt es oft zu inneren Konflikten, da wir gewisse Werte und Ansichten nicht frei gewählt haben. Wir haben sie schlichtweg übernommen, ohne uns jemals Gedanken darüber gemacht zu haben.
Ein gutes Beispiel hierfür ist, unsere Vorstellung von Beziehungen. Spricht man in der westlichen Kultur über Liebesbeziehungen, sind damit automatisch monogame Beziehungen gemeint. Die Frage ist, wieso?
Immer mehr Wissenschaftler sind der Meinung, dass der Mensch an sich nicht monogam ist und dass Männer wie auch Frauen, zur Polygamie neigen.
Betrachtet man die Evolution der Menschheit, ist Monogamie, so wie wir sie jetzt kennen, relativ neu. Anders als häufig angenommen, ist sie auch nicht weltweit verbreitet.
Es gibt diverse Kulturen, die nicht monogam leben und damit sehr zufrieden scheinen. Kurzum: auch Monogamie ist nichts Absolutes und ist bei den meisten ein weiterer, gesellschaftlich übernommener Wert.
Auch für mich persönlich gab es sehr lange nur die eine Art von Beziehung. Wir sollten jedoch bedenken, dass nur weil Monogamie der momentane Beziehungsstandard in der westlichen Kultur ist, dass noch lange nicht heißen muss, dass es auch unserer Natur als Mensch entspricht.
Dass Monogamie nicht natürlich ist, würde erklären, warum in Deutschland (ähnlich wie in anderen Ländern) knapp die Hälfte aller Ehen in die Brüche gehen. Doch selbst wenn die Ehen halten, sind es häufig keine glücklichen Ehen und die Partner gehen fremd. Ich persönlich kenne sehr weniger Paare, die seit langem verheiratet und glücklich sind – und es nicht nur nach außen so scheint.
Ja, die gesellschaftlichen Anforderungen sind gestiegen und wir haben mehr Freiheiten denn je zuvor. Doch die hohe Scheidungsrate allein auf den Drang zur Selbstverwirklichung, mehr Freiheit und Individualität zu schieben, halte ich für etwas beschränkt. Vielleicht liegt das Problem schlichtweg in dem System, in dem wir uns bewegen.
Würden die Hälfte aller Flugzeuge abstürzen, würde man doch auch nicht die Schuld immer wieder aufs neue auf die Piloten schieben, oder? Doch mehr oder weniger das tun wir in unseren Beziehungen.
Vielleicht liegt das Problem nicht im Individuum, also bei uns, sondern wir haben schlichtweg das falsche Beziehungsmodell gewählt.
Ich möchte nicht behaupten, dass keiner in einer monogamen Beziehung glücklich werden kann. Doch ist es gut möglich, dass es vielleicht nicht die beste Wahl für jeden ist. Würden wir andere Beziehungsformen in Betracht ziehen, würden wir vielleicht weniger fremdgehen und aufhören, von Partner zu Partner zu hüpfen, sobald die Routine einkehrt.
Dass das funktioniert, ist Tatsache. Ich persönlich kenne mehrere Paare, die in verschiedenen Formen eine offene Beziehung führen und damit seit Jahren äußerst glücklich sind. Wobei offen nicht bedeutet, dass jeder machen kann, was er will.
Es gibt feste Regeln, die bestimmen, was erlaubt ist und was nicht. Diese Regeln sind wichtig, ansonsten endet es im Gefühlschaos und gegenseitiger Enttäuschung, wie auch ich erfahren musste.
Das mag dir vielleicht erst mal gegen den Kopf stoßen. Wenn wir jedoch schon in der liberalsten und offensten Ära aller Zeiten leben, warum erweitern wir dann nicht auch unsere Sicht auf unsere Beziehungen?
Das ist ein Gastartikel von Anchu Kögl. Anchu ist Autor, Unternehmer und Weltreisender. Er schreibt über die Bedeutung von Männlichkeit – beim Sex, im Umgang mit Frauen und vor allem auch im Umgang mit dir selbst.
Ich denke, die Thematik sollte auf zwei verschiedenen Ebenen diskutiert werden. Monogamie einfach als einzig richtig anzusehen, weil die Gesellschaft das so sieht, ist Humbug. Schließlich ist die Gesellschaft ein schlechtes Vorbild, denn wie groß ist denn der Prozentsatz der wirklich Glücklichen?
Trotzdem glaube ich dass ein wirklich tiefes Einlassen auf einer ganz anderen Ebene nur im geschützen Rahmen der Monogamie erfolgen kann. Wenn ich immer einen Plan B habe werde ich auch immer beim ersten (aber spätestens beim dritten) echten Problem fliehen und dann kann ich nicht die Erfahrung machen, wie wundervoll es ist, mit einem Partner hinter die Probleme zu kommen.
Für mich ist es überall das gleiche: egal ob ich mich beruflich nicht auf eine Zielgruppe einlassen möchte oder ob ich mich nicht für einen Partner entscheiden kann. Dahinter steht nach meinem Gefühl die Angst vor echtem Einlassen und die Angst etwas zu versäumen. Der Erfolg bleibt dann dauerhaft aus.
Gute Anmerkung. Ich kann mir vorstellen, dass bei dieser Frage einige Menschen nicht ganz ehrlich zu sich sind.
Gut auf den Punkt gebracht! Wichtige wäre es sich mal aktiv mit der Frage „bin ich tatsächlich monogam“ auseinanderzusetzen. Es gibt ja mittlerweile auch eine wachsende Polyamorie-Gemeinde.
Liebe Grüße
Sepp